
29 Mai 250 Jahre Beethoven – Beethovenjahr
Ludwig van Beethoven – das Musikgenie und die unausstehliche Stille
Beethoven war Weltbürger, Querdenker, Humanist. Er war aber auch das Musikgenie mit dem Hörrohr, das am Ende seine eigene Musik nicht mehr richtig hören konnte. Bereits im Alter von 28 Jahren setzte bei ihm eine Schwerhörigkeit ein und im Laufe der Zeit nahm sein Hörverlust so rasant ab, dass er mit Mitte 40 fast bis gar nichts mehr hörte. Keine Flöte, keine Geige, kein Zwitschern der Vögel, keine verbale Konversation. Wie war es also möglich, dass er trotzdem weiter so schöne, imposante, erfolgreiche Musik und einige seiner wichtigsten Werke komponieren konnte?
Ludwig van Beethoven wurde am 16. Dezember 1770 in Bonn geboren und verstarb im Alter von 56 Jahren, am 26. März 1827 in Wien. Er gilt als einer der bedeutendsten Komponisten der Wiener Klassik und Wegbereiter der Romantik. Darüber hinaus ist er einer der meist gespielten Komponisten klassischer Musik. Kein Silvester- oder Neujahrskonzert ohne seine 9. Sinfonie. »Ode an die Freude« ist die europäische Hymne, die »Schicksalssinfonie«, die 5. ist seine am häufigsten gespielte Komposition und das Klavierstück »Elise« können viele mitsummen.
Weltweit wird dieses Jahr Beethovens 250. Geburtstag begangen und seine Musik ganz vielfältig gewürdigt. Ein Jahr lang stehen seine musikalischen Werke und sein Wirken mit ganz unterschiedlichen Aufführungen im Fokus. Auch in Rostock und Mecklenburg-Vorpommern finden viele Konzerte und Veranstaltungen zu seinen Ehren statt.
Bereits in jungen Jahren wurde Beethovens musikalisches Talent entdeckt und gefördert. Besonders sein strenger Vater, von Beruf Sänger, erkannte Ludwigs Talent und wollte aus Beethoven einen zweiten Mozart machen, damit er mit ihm auf Konzertreisen viel Geld verdienen kann. Ludwig van Beethoven begann als Klaviervirtuose, lernte aber auch Geige, Bratsche sowie Orgel und hatte bereits im Alter von sieben Jahren Auftritte vor größerem Publikum, dass ihn ebenfalls als das neue Wunderkind bestaunte und feierte. Schon im jugendlichen Alter begann der junge Musiker mit dem absoluten Gehör mit der Komposition, doch sein Fokus lag zu dem Zeitpunkt noch auf dem Klavier spielen. Im Alter von 14 Jahren reiste er für Auftritte und Unterricht zum ersten Mal nach Wien. Acht Jahre später – 1792 – zog er in die Donaumetropole, wo er als brillanter und virtuoser Pianist das Publikum beeindruckte und seine ersten Klaviersonaten komponierte.
Erste Symptome seiner beginnenden Schwerhörigkeit setzen 1798 ein. Erst auf dem rechten Ohr, später auch auf dem linken. 1801, erst 31-jährig, hält er in einem Brief an seinen Arzt alle Facetten seines Hörverlustes fest: Die heutige Diagnose würde Schwerhörigkeit, Tinnitus, Hochtonverlust und Geräuschüberempfindlichkeit lauten.[1]
»Der neidische Dämon hat meiner Gesundheit einen schlimmen Streich gespielt, nämlich mein Gehör ist seit drei Jahren immer schwächer geworden […] nur meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort […] Ich bringe mein Leben elend zu. Seit zwei Jahren meide ich alle Gesellschaften, weils mir nicht möglich ist, den Leuten zu sagen, ich bin taub. Hätte ich irgend ein anderes Fach so gings noch eher, aber in meinem Fach ist es ein schrecklicher Zustand. […] Die hohen Töne von Instrumenten und Singstimmen höre ich nicht, wenn ich etwas weit weg bin, auch die Bläser im Orchester nicht. Manchmal auch hör ich den Redner, der leise spricht, wohl, aber die Worte nicht, und doch, sobald jemand schreit, ist es mir unausstehlich.«
Das Musikgenie Beethoven war aber auch für seinen Jähzorn bekannt, der seine Gefühle nicht zügeln konnte. Er konnte aus der Haut fahren, wenn im Publikum während seiner Aufführungen gehustet oder geflüstert wurde, er brüllte, wenn ihm etwas nicht passte. Gleichwohl ließ er seinen Emotionen freien Lauf, wenn ihn Musik in seiner Seele berührte. Da konnten auch mal Tränen über sein Gesicht kullern. Sein Hauspersonal wechselt ständig. Wenn sein Kaffee nicht mit exakt 56 Kaffeebohnen gebrüht wurde, drohte ein Tobsuchtsanfall von seiner Seite.
Um den Hörverlust zu stoppen oder zu verlangsamen, probierte er verschiedene Kuren, unterzog sich unterschiedlicher Behandlungen, wie Mandelölziehen, trank diverse Tees, wechselte ständig die Ärzte. Alles ohne Erfolg. Für Gespräche mussten die Gegenüber ab 1812 schreien, damit Beethoven sie verstand. 1814 beendete er seine Auftritte als Pianist und nutzte fortan ein Höhrrohr für die Verständigung. Als Konsequenz seiner Hörminderung zog er sich teilweise aus dem sozialen Leben zurück, isolierte sich, damit so gut wie keiner etwas von seinem Hörproblem mitbekommt. Dieser Aspekt ließ ihn menschlich jedoch noch unerträglicher machen und so wurde er zunehmend zum Sonderling. Ab 1818 ist nachweislich festgehalten, dass der Komponist seine Gespräche mit Hilfe von Konversationsheften schriftlich führte, von denen ungefähr 400 überliefert sind. Allerdings antwortete Beethoven auf die Fragen mündlich, so dass die Hefte etwas einseitig sind. Trotz dessen ist heute so viel über Beethovens Leben, sein Denken und Fühlen bekannt. In der Forschung wird angenommen, dass 1818 auch das Jahr ist, ab dem Beethoven fast nichts bis gar nichts mehr hörte. Trotz seiner Schwerhörigkeit komponierte er weiter, die Musik hörte er in seinem Kopf, mit seinem inneren Ohr. Acht seiner neun Sinfonien und ein Großteil seiner Werke entstanden in der Zeit zunehmenden Hörverlusts. Bis vor kurzem ging auch die Forschung davon aus, dass Beethoven komplett ertaubt war, aber die erneuten intensiven Studien seiner Konversationshefte durch den amerikanischen Musikwissenschaftler Theodore Albrecht geben Rückschlüsse, dass er auf dem linken Ohr noch eine minimale Resthörigkeit gehabt haben könnte. Dies könnte auch erklären, warum Beethoven Uraufführungen, wie die der 9. Sinfonie, 1824 noch selbst dirigierte – allerdings mit Unterstützung eines Co-Dirigenten.
Beethovens fortschreitende Schwerhörigkeit findet sich auch in seiner Musik wieder, wie Untersuchungen des Niederländischen Zentrums für Stoffwechsel in Leiden zeigen. Bereits 1801 setzte bei ihm der Hochtonverlust ein. Kurzum, er konnte immer weniger hohe Töne, die die Musiker spielten, hören. Seine Komposition der Zeit zeigen, dass er fortan mehr Töne im mittleren Frequenzbereich einsetzte. Erst später, als er auch diese Töne nicht mehr hörte und sich auf sein inneres Ohr verlassen musste, kehrte er zum vermehrten Einsatz von hohen Tönen zurück.
Neben dem Hörverlust quälten Beethoven noch zahlreiche andere Krankheiten wie Masern, Pocken, Kurzsichtigkeit und Leberleiden. Er starb mit 57 Jahren an einer Lungenkrankheit. Zu seiner Beerdigung sollen 20.000 Menschen gekommen sein. Musikalisch hat Beethoven bis heute noch einen großen Einfluss auf Musiker*innen und Komponist*innen. Mit Hilfe von modernen Hörgeräten oder einem Implantat wäre es ihm nach heutigem Standard wohl auch möglich gewesen, seine Musik zu hören.
Anmerkung:
Die Projektwoche vom 13. bis 21. Juni 2020 widmet sich dem Thema „Beethoven und der Sinn des Hörens“. Dabei werden medizinische, philosophische, künstlerische und gesellschaftspolitische Aspekte unseres empfindlichsten Sinnes diskutiert. Im Bonner Beethoven-Haus kann man sich Beethovens Hör-Rohre ansehen.
https://www.bthvn2020.de/programm/sense-of-hearing-symposium/
[1] Vgl. Zenner, Hans-Peter: Beethovens Taubheit. „Wie ein verdammter muss ich leben.“, in Deutsches Ärzteblatt 2002; 99: A 2762–2766 [Heft 42].
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